5.1 Grundlagen der Kavitationsproblematik

Die Kavitationsproblematik soll hier allgemein mit physikalischen Grundlagen, aber auch ausführlich speziell für den Einsatz von Kreiselpumpen in Fahrzeugkühlkreisläufen erläutert werden. Damit wird eine Betrachtung des Kavitationsthemas nicht nur isoliert bezogen auf die Kühlmittelpumpe, sondern gesamtheitlich bei ihrer Nutzung im Kühlkreislauf möglich. Es lassen sich für den Pumpenentwickler, den Kühlkreislaufausleger oder auch für die Prüfingenieure sowohl für die Kühlmittelpumpe als auch für den Kühlkreislauf rechtzeitig im Entwicklungsprozess Maßnahmen zur Kavitationsvermeidung und damit zur Vorbeugung von Schäden und Ausfällen ergreifen. Außerdem wird bei messtechnisch korrekter Erfassung der Kavitationswerte die gesamte Problematik bei der Kühlkreislaufentwicklung einer rechnerischen Behandlung zugängig gemacht, d.h. es können z.B. die Maßnahmen zur Kavitationsverringerung berechnet und bewertet werden.

Kavitation nennt man das Entstehen und Zerfallen von Dampfblasen in strömenden Flüssigkeiten. Kavitation tritt auf, wenn der statische Absolutdruck den Dampfdruck des Fluids erreicht oder unterschreitet. Der Dampfdruck des jeweiligen Fluids ist dabei temperaturabhängig (z.B. bei unterschiedlichen Temperaturen des Kühlmittels im Fahrzeugkühlkreislauf) und zusammensetzungsabhängig (z.B. bei unterschiedlichen prozentualen Anteilen von Frostschutzmittel im Kühlkreislauf-Kühlmittel).
Bei Kavitation bilden sich im Strömungsmittel um vorhandene Keime, die als ungelöste Gase in Form kleiner Blasen oder flächenhaft an Verunreinigungen vorhanden sind, Dampfblasen aus, die in Strömungsrichtung transportiert werden und in Bereichen größerer Drücke schlagartig zerfallen und die Kavitationserosion hervorrufen. Theoretisch lässt sich der Fluiddruck unter seinen Dampfdruck absenken, ohne das Kavitation entsteht, wenn keine Keime vorhanden wären. Praktisch sind solche oben beschriebenen Keime jedoch immer vorhanden.

Bei Verbrennungsmotorenbetrieb tritt Kavitation auf, wenn an einer Stelle im Kühlkreislaufreislauf der Dampfdruck des Fluides erreicht oder unterschritten wird. Besonders kavitationsgefährdet ist wegen ihres niedrigen Druckniveaus die Saugseite der Kühlmittelpumpe. Kavitation kann aber im gesamten Kühlkreislauf, z.B. an Stellen mit großen Temperaturen und hohen Strömungsgeschwindigkeiten (z.B. Kühlkanäle im Zylinder und Zylinderkopf), auftreten. Bei ungenügender Umspülung der dynamischen Pumpenabdichtung (Gleitringdichtung oder Wellendichtring) oder Förderung von Dampf in den Dichtungsraum ist wegen der daraus resultierenden ungenügenden Wärmeabfuhr und Schmierung die Zerstörung z.B. der Gleitringpaarung mit anschließendem Motorschaden möglich. Weiterhin können durch Kavitationserosion, also an den Stellen des Dampfblasenzerplatzens, Materialzerstörungen auftreten, z.B. am Schaufelrad im oberen Schaufelbereich oder im Spiralkanalbereich.

Bei Dampfblasenentstehung durch Kavitation an der Kühlmittelpumpe bilden sich Zweiphasenströmungen aus und verengen die effektiven Strömungsquerschnitte in der Pumpe. Abhängig von der Größe der Dampfdruckunterschreitung verringern sich wegen dieser Strömungsquerschnittsverengung die Förderhöhe der Kühlmittelpumpe und damit der Fördervolumenstrom. Weitere Kavitationsfolgen sind Schwingungen, Geräuschbildung und wie oben schon ausgeführt Materialabtrag.
Druckabsenkungen treten örtlich an scharfen Kanten und Umlenkungen sowie bei Eintritt in den Schaufelkanal bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten (hohe Kühlmittelvolumenströme bei großen Pumpendrehzahlen) auf. Erhöhte Strömungsgeschwindigkeiten treten z.B. im Schaufelrad unmittelbar nach Schaufelanfang wegen der plötzlichen Querschnittsverringerung  durch die Schaufelversperrung auf. Mit höheren Geschwindigkeiten steigt der dynamische Druckanteil und sinkt der statische Druckanteil, was bei Erreichen des Fluiddampfdruckes zu beginnender Kavitation und mit weiterem Unterschreiten des Dampdruckes zu immer größerer Dampfblasenbildung führt.

Es ist zu beachten, dass kühlreislaufregelungsbedingt bei gleichen Pumpendrehzahlen unterschiedliche Volumenströme und damit Geschwindigkeiten auftreten können, z.B. bei Thermostat offen oder geschlossen, Heizungskreis offen oder geschlossen, Motorzylinderblock (Kurbelgehäuse) durchflossen oder nicht durchflossen usw.

Wegen der schwierigen Berechnung und Messung der punktuellen Druckabsenkungen im rotierenden Schaufelkanal werden Kavitationsuntersuchungen beim Kühlmittelpumpenhersteller zumindest für den Pumpenauslegungspunkt bei Auslegungsdrehzahl, besser jedoch wegen der regelungsbedingten Volumenstromänderungen im Kühlkreislauf für mehrere Drehzahlen und Volumenströme in Form einer Kavitationskennfeldermittlung auf einem dafür ausgelegten Pumpenprüfstand durchgeführt. Möglich sind auch Kavitationsvorausberechnungen z.B. an einem entsprechend detailliertem CFD-Modell des Pumpenumfeldes und der Kühlmittelpumpe.

Aus den beim Pumpenhersteller ermittelten Kavitationswerten der Kühlmittelpumpe kann der Motor- bzw.  Kühlkreislaufhersteller den erforderlichen Druck an der Pumpensaugseite und ggf. im Ausgleichbehälter zur Kavitationsvermeidung festlegen. Dabei ist zu beachten, dass diese Festlegung entsprechend der auftretenden Kühlkreislaufbetriebszustände (Temperatur, Drehzahlen, Frostschutzanteil, Volumenstrom) erfolgt.
Umgekehrt sollte der Motorhersteller im Kühlmittelpumpenlastenheft einen Kavitationswert für den extremsten Kühlkreislaufzustand oder mehrere Kavitationswerte jeweils für unterschiedliche Kreislaufzustände festlegen. Dabei ist zu beachten, dass hohe Kavitationswerte der Kühlmittelpumpe hohe Saugdrücke zur Kavitationsvermeidung erfordern, woraus wiederrum große Bauteileingangsdrücke z.B. an Kühler, Heizung und Ölwärmetauscher resultieren und ihre maximal zulässige Bauteildruckbelastung u.U. überschritten wird. Zu niedrige geforderte Kavitationswerte sind demgegenüber vom Pumpenhersteller nur unter hohem technischen Aufwand oder gar nicht erreichbar. Der Anlagenkavitationswert lässt sich aus der Kühlkreislaufberechnung, z.B. mittels FLOWMASTER, unter Berücksichtigung der geplanten Bauteilvernetzung und des festgelegten Pumpenauslegungspunktes vorausberechnen bzw. aus Erfahrungswerten abschätzen.

Zu beachten ist, dass bei Betrieb der Kühlmittelpumpe im Kühlkreislauf Kavitationserscheinungen nicht  nur bei sehr hohen Kühlmitteltemperaturen, sondern auch bereits im mittleren Temperaturbereich auftreten können. Dies ist z.B. bei einem oft anzutreffenden sehr hohen Druckabfall am in Pumpensaugseitenähe liegenden Bypassthermostatteller möglich, zumal in dem dabei zu betrachtenden Betriebszustand ‚Kühlerzweig geschlossen, Motorbypass offen‘ wegen des fehlenden Druckaufbaus bei niedrigen Fluidtemperaturen noch ein sehr niedriger Druck im Ausgleichbehälter vorliegt.

In den folgenden Ausführungen werden die hier angesprochenen Themen und Problematiken zur Kavitation ausführlich erläutert und nicht nur auf die Kühlmittelpumpe, sondern auch auf den Kühlkreislauf bezogen dargestellt.

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