5.9 Berechnung des erforderlichen Druckes an Pumpensaugseite und im AGB zur Kavitationsvermeidung

Prinzipiell gilt, dass es, wie unter Kapitel 5.4 beschrieben, einen anlagenspezifischen Kavitationswert gibt, nämlich den Kavitationswert, den der Kühlkreislauf zur Verfügung stellt, und den pumpenspezifischen Kavitationswert, nämlich den am Pumpenprüfstand ermittelten Wert. Allerdings ist es so, dass die unter Kapitel 5.4 gezeigten allgemein gültigen Berechnungsvorschriften zur Ermittlung des anlagenspezifischen Kavitationswertes NPSH_A bzw. NPSY_A nicht vollständig die Verhältnisse im Kühlkreislauf nachbilden.

Der NPSH_A bzw. NPSY_A-Wert des Kühlkreislaufes ist variabel, da im Ausgleichbehälterluftpolster ein Überdruck je nach Betriebszustand des Motors aufgebaut wird. Dieser Überdruck ist neben dem Druck im AGB bei Motorstart abhängig vom verwendeten Kühlmittel, von der Kühlmitteltemperatur, von der Luftpolstergröße und wegen der Bauteildehnung z.B. von flexiblen Schläuchen auch vom Pumpendruck (bei hohen Pumpendrücken dehnen sich Schläuche und Bauteile, der Wasserspiegel im Ausgleichbehälter AGB sinkt und der Druck im AGB nimmt ab). Zusätzlich ändern sich die Kreislaufdrücke wegen der Pumpendrehzahländerung und ggf. sich ändernden Betriebszuständen des Kreislaufes, z.B. bei Heizung offen oder geschlossen, Thermostat geschlossen, regelnd oder voll offen usw.

Dem Motorhersteller wird der Kavitationswert der Kühlmittelpumpe, wie im jeweiligen Pumpenlastenheft beschrieben bzw. gefordert, vom Pumpenhersteller übergeben. Oftmals wird vom Motorhersteller im Kühlkreislaufentwicklungsprozess die Frage gestellt, welcher Druck an der Pumpensaugseite zur Kavitationsvermeidung notwendig ist. Hier soll nun beschrieben werden, wie dieser erforderliche Druck aus den Kavitationswerten errechnet wird.

Prinzipiell ist der vom Pumpenhersteller ermittelte Kavitationswert fluidtemperatur- und fluidzusammensetzungsunabhängig. Er kann also auf alle im Kühlkreislauf auftretenden Betriebszustände umgerechnet werden. Im Detail bzw. bei genauerer Betrachtung ist diese Aussage jedoch kritisch zu betrachten, da wie in Kapitel 5.7 schon beschrieben, z.B. thermodynamische Effekte bei unterschiedlichen Temperaturen auch zu abweichenden Kavitationswerten führen. Deshalb ist eine Messung des Kavitationswertes zumindest in der Nähe der später auftretenden Kühlmitteltemperaturen mit einem Kühlmittelgemisch, wie es im Kühlkreislauf verwendet wird, genauer als z.B. eine auch prinzipiell mögliche Kavitationswertermittlung z.B. mit Wasser bei 30°C.

Die auf dem Pumpenprüfstand ermittelten Kavitationswerte werden zur Berechnung des erforderlichen statischen Saugdruckes zur  Kavitationsvermeidung verwendet, indem die Kavitationsberechnungsformel (siehe Kapitel 5.4) nach den Saugdruck p_S umgestellt wird und für den Dampfdruck p_D sowie die Fluiddichte \varrho die Werte eingesetzt werden, die im zu betrachtenden Betriebszustand auftreten. Diese Stoffwerte sind den entsprechenden Tabellen des Fluidherstellers zu entnehmen.

Es gilt:

    \[\boldsymbol {p_{S\,stat\,erf}=\left(NPSY\cdot \varrho\right)+p_{Dampf}-\frac{\varrho}{2}\cdot c_s^2}\]

    \[\boldsymbol {p_{S\,stat\,erf}=\left(NPSH\cdot \varrho \cdot g\right)+p_{Dampf}-\frac{\varrho}{2}\cdot c_s^2}\]

formelzeichen 5 9Zu beachten ist, dass der so errechnete erforderliche Saugdruck nur den statischen Druckanteil enthält. Will man den Gesamtdruck nach Bernoulli, müsste das Geschwindigkeitsglied am Ende der obigen Formeln entfallen. Der erforderliche Saugdruck zur Kavitationsvermeidung gilt bei 3%igem Förderhöhenabfall, falls NPSY oder NPSH bei diesem Kavitationskriterium ermittelt wurden. Strenggenommen tritt bei dem errechneten erforderlichen Saugdruck also bereits Kavitation auf. Bei Bedarf kann der Saugdruck also auch p_{S\,stat\, erf\,3\%} genannt werden. Im Allgemeinen wird völlige Kavitationsfreiheit nicht verlangt, da die dazu notwendigen hohen Ausgleichbehälterdrücke viel zu hohe Kühlkreislaufbauteilbelastungen verursachen würden, was zu Kühlkreislaufausfällen durch Bauteilzerstörung, z.B. des Kühlers oder der Heizung führen kann (natürlich könnten diese Bauteile auch druckfester ausgeführt werden, was aber nachteilig auf Baumasse und Bauvolumen wirkt).

Der mit der Berechnungsvorschrift errechnete statische Pumpensaugdruck ist der Druck, welcher am Anzeigegerät bei Kühlkreislaufmessungen angezeigt wird, insofern der Druckgeber auf Höhe der Messstelle liegt. Bei kleinen Strömungsdurchmessern und hohen Volumenströmen kann der statische Druck wegen des hohen Geschwindigkeitsanteils (dynamischer Druckanteil) erheblich vom Gesamtdruck nach Bernoulli abweichen. Dies ist unbedingt bei Druckangaben zu beachten.

Aus dem erforderlichen statischen Druck an der Pumpensaugseite kann der erforderliche Druck im Ausgleichbehälter AGB zur Kavitationsvermeidung berechnet werden. Unter Vernachlässigung der ohnehin geringen Strömungsgeschwindigkeit im Ausgleichbehälter gilt:

    \[\boldsymbol {p_{AGB\,erf}=p_{S\,stat\,erf}-\varrho \cdot g \cdot \Delta h_{AGB}+\frac{\varrho}{2}\cdot c_S^2+p_{V}}\]

Die Druckverluste p_V sind dabei die Summe der Strömungsverluste von der Ausgleichbehälteranschlussstelle im Kühlkreislauf bis zur Pumpensaugseite, bei hohen AGB-Volumenströmen und enger AGB-Rücklaufleitung können auch die Strömungsverluste in dieser Rücklaufleitung zu diesen Druckverlusten hinzugezählt werden.

Die Gleichung gilt, wenn die Bezugslinie des Strömungssystems auf die Höhe des Wasserspiegels im Ausgleichbehälter gelegt wird. Legt man die Bezugslinie auf Höhe der Saugseite, würde die Höhendifferenz \Delta h_{AGB} mit positivem Vorzeichen belegt werden.

p_V ist die Summe aus den Druckverlusten vom Kühlmittelspiegel im Ausgleichbehälter über seine Rücklauf-Anschlussstelle im Kühlkreislauf bis zur Pumpensaugseite. Diese Druckverluste müssen entweder gemessen oder berechnet werden. Die Berechnung kann aus den Druckverlustkurven der Bauteile zwischen Ausgleichsbehälteranschluss bis zur Pumpensaugseite und Kenntnis des Volumenstromes numerisch oder besser durch eine 1D-Strömungsberechnung, z.B. FLOWMASTER, erfolgen.

 

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