a) Rechnerische Ermittlung
Mit dem in Kapitel 5.9 ermittelten erforderlichen Saugdruck kennt man den Druck an der Pumpensaugseite zur Kavitationsvermeidung. Nun muss ermittelt werden, ob der tatsächlich im Kühlkreislauf vorhandene Saugdruck zur Kavitationsvermeidung ausreichend groß ist. Es gilt also:
Dabei ist aber zu beachten, dass der im Kühlkreislauf vorhandene Saugdruck nicht zu groß wird, da sonst die Bauteildruckbelastung schnell über die zulässigen Werte steigt. Es ist also immer ein Kompromiss zwischen niedriger Bauteilbelastung, insbesondere für Kühler und Heizung, und in weiten Betriebsbereichen kavitationsfreiem Pumpenlauf notwendig.
Prinzipiell lässt sich der vorhandene Saugdruck mit den anlagenspezifischen Kavitationswerten bzw. berechnen, da diese Kenngrößen die vom Kühlkreislauf zur Verfügung gestellten Kavitationswerte sind. Für die Verhältnisse im Kühlkreislauf bietet es sich jedoch an, gleich den Saugdruck zu messen oder rechnerisch zu ermitteln.
Die Berechnung des vorhandenen oder zu erwartenden Saugdruckes kann durch Vorgabe des Volumenstromes und der Bauteildruckverlustkurven erfolgen. Dabei werden die Druckverluste vom Anschlussort des Ausgleichbehälterrücklaufes bis zur Pumpensaugseite addiert und vom Ausgleichbehälterdruck abgezogen:
Zu beachten ist, dass der Saugdruck hier nach dem Gesamtdruck nach Bernoulli angegeben ist, also inklusive Geschwindigkeitsglied.
Zur Erläuterung die Herleitung der Berechnungsvorschrift:
Der Druck an der Anschlussstelle des AGB ist der Druck im Luftpolster des AGB zuzüglich des Höhendruckanteils. Vernachlässigt wird der ohnehin sehr kleine Druckverlust im AGB und in der Rücklaufleitung bei durchflossenem AGB (diese Druckverluste kann man natürlich bei Bedarf mit angeben, falls bekannt):
Der Druckverlust von dieser AGB-Anschlussstelle bis zur Pumpensaugseite ist die Summe aus den dabei auftretenden Druckverlusten (bei auftretenden Strömungsquerschnittsänderungen sind die Geschwindigkeitsanteile am Gesamtdruck zu beachten, deshalb werden die Druckverluste auch hier nach Bernoulli angegeben). Dabei können die Leitungen aus mehreren Abschnitten bestehen und auch mehrere Bauteile zwischen dem AGB-Anschluss und der Pumpensaugseite liegen. Diese Verhältnisse sind bei jedem Kühlkreislauf verschieden. Die Druckverluste der Leitungen können bei bekannten Volumenströmen berechnet werden und die Bauteildruckverluste werden aus den Bauteildruckverlustkurven ermittelt oder ggf. abgeschätzt. Es gilt:
Der vorhandene Saugdruck ergibt sich aus dem Druck am AGB-Anschlussort abzüglich der Druckverluste bis zur Saugseite:
Für den vorhandenen statischen Saugdruck gilt:
Die Ausgleichbehälterhöhe beträgt im PKW-Kühlkreislauf üblicherweise zwischen 0,2…0,5 m. Der Luftpolsterdruck im Ausgleichbehälter ist stark vom Betriebszustand abhängig und beträgt bei maximalen Temperaturen i.A. zwischen 800…1400 mbar Überdruck, wobei in der Regel bei 1400 mbar das Überdruckventil öffnet.
Oftmals ist der Saugdruck nicht einfach per Hand auszurechnen, da sich die Bauteilvolumenströme und damit die Druckverluste erst mit der strömungstechnisch korrekten Kreislaufvernetzung ergeben. Deshalb kann der vorhandene Saugdruck auch aus einer eindimensionalen Kühlkreislaufberechnung, z.B. mittels FLOWMASTER, ermittelt werden.
Nachfolgendes Bild zeigt die vereinfacht dargestellte Vernetzung eines Kühlkreislaufes, wobei die einzelnen Leitungen bereits in gemeinsame Widerstände zusammengefasst sind:
Mit einer Kühlkreislaufberechnung, wie sie mit einem wie oben dargestelltem System möglich ist, erhält man die Volumenstrom- und Druckverteilung und an der mit ‚Pumpensaugseite‘ gekennzeichneten Stelle den vorhandenen Saugdruck als Gesamtdruck nach Bernoulli. Gut zu sehen ist, dass von der Anschlussstelle des Ausgleichbehälterrücklaufs sich der Volumenstrom zunächst aus dem Heizungs- und ATF-Volumenstrom sowie dem AGB-Volumenstrom zusammensetzt. Im Pumpenzulauf bis zur Pumpensaugseite wird dieser Volumenstrom wesentlich durch den Kühlervolumenstrom (oder bei gschlossenem Thermostat durch den Kurzschlussvolumenstrom) erhöht, womit sich auch die Druckverluste erhöhen.
b) Messtechnische Ermittlung
Der vorhandene Saugdruck kann am gegenständlich aufgebauten Kühlkreislauf (als Kaltkreislauf, am befeuerten Motor am Motorprüfstand, im Fahrzeug) im Rahmen der Volumenstrom- und Druckverteilungsmessung experimentell ermittelt werden. Messungen im Fahrzeug und ggf. am Motorprüfstand (falls dort der Originalkühlkreislauf aufgebaut ist) haben den Vorteil, dass dabei bereits die realen Bedingungen auftreten, die z.B. für den Überdruck im AGB-Luftpolster sorgen.
Bei Messungen am unbefeuerten Motor (Kaltkreislaufmessungen) wird der Ausgleichbehälter mit dem Überdruck im Luftpolster beaufschlagt, der im realen Motorbetrieb für den relevanten Fahrzustand auftritt. Es kann aber auch ein willkürlicher Druck eigestellt und die dabei gemessenen Bauteildrücke ggf. auf andere AGB-Drücke umgerechnet werden. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der AGB-Druck so hoch eingestellt werden muss, dass keine Kavitation auftritt, da hier zunächst die Volumenströme und Drücke ohne Kavitationserscheinungen ermittelt werden sollen. Die Messungen am unbefeuerten Motor werden ja in der Regel bei anderen Temperaturen als sie bei Kühlkreislaufbetrieb mit Verbrennungsmotor auftreten und oft auch bei anderen Kühlmittelzusammensetzungen durchgeführt. Bei Kaltkreislaufmessungen wird dies oft nicht beachtet, so dass die dabei ermittelte Volumenstrom- und Druckverteilung nicht korrekt ermittelt wird.
Bei Messungen am Motorprüfstand werden oft prüfstandsfeste Behälter und Leitungen statt des vorgesehenen Ausgleichbehälters verwendet. Dabei treten vollkommen andere Druckverhältnisse auf als im realen Fahrzeugbetrieb. Oftmals werden dabei ermittelte Kavitationserscheinungen auf den Pumpenhersteller geschoben, obwohl mit den zum Teil abenteuerlichen Behälterkonstruktionen und -anschlüssen viel zu niedrige Saugdrücke erreicht werden. Hier muss der Prüfstandbetreiber (oft Drittfirmen) auf den fehlerhaften Prüfstandsaufbau hingewiesen werden.
Bei Saugdruck- und Bauteileingangsdruckmessungen am aufgebauten Kühlkreislauf ist darauf zu achten, dass der Anschlussort des AGB-Rücklaufes und die AGB-Höhe mit den Verhältnissen bei Fahrzeugeinbau übereinstimmen. Die Druckmessstelle an der Pumpensaugseite (bei Überprüfung des Pumpendifferenzdruckes auch die Messstelle(n) an der Pumpendruckseite) sollte mit der bei der Aufnahme der Pumpenkennwerte verwendeten Saugdruckmessstelle identisch sein. Der Druck sollte über mehrere Druckmessbohrungen um den Strömungsquerschnitt gemittelt werden, um das ggf. ungerichtete Strömungsprofil auszugleichen.
Nachteilig bei der messtechnischen Ermittlung des Saugdruckes und anderer Kühlkreislaufkennwerte wie Volumenstrom- und Druckverteilung kann sein, dass die Kühlkreislaufbauteile bereits in seriennahem Zustand vorhanden sein müssen und nachträgliche Änderungen an der Pumpenkennlinie, der Bauteilvernetzung oder den Bauteilwiderständen auch andere Volumenströme und Drücke im Kreislauf hervorrufen.