5.4 Kavitationskennwerte und ihre Berechnung

1. Anlagenspezifischer und pumpenspezifischer Kavitationskennwert sowie gebräuchlichste Kavitationswertekürzel

Die Kavitationscharakteristika von  Kühlmittelpumpen und Kühlkreisläufen  werden mit  Kavitationskennwerten gekennzeichnet. Die Bezeichnung und Berechnung dieses Kavitationskennwertes wird in einer Vielzahl an Literaturstellen unterschiedlich definiert und behandelt. Um z.B. bei der Vorgabe von einzuhaltenden Kavitationswerten Fehlinterpretationen oder sogar Fehlauslegungen auszuschließen, werden hier die gebräuchlichsten Kavitationskennwertbezeichnungen behandelt und die Beziehungen der unterschiedlichen Kavitationskennwerte untereinander zur ggf. notwendigen Umrechnung dargestellt.

Die gebräuchlichsten Kavitationskennwerte, hier als Kürzel, sind NPSY, Y_H, NPSH, H_H und p_H. Die Erklärungen zu diesen Kürzeln erfolgen in den nächsten Abschnitten unten.

Man unterscheidet zwischen dem von der hydraulischen Anlage vorgegebenen Kavitationskennwert und dem zur Maschine, in unserem Fall zur Kühlmittelpumpe, gehörenden Kavitationskennwert. Auf die Anlage bezogene Kavitationskennwerte erhalten den Zusatz A (Available=vorhanden) und auf die Pumpe bezogene Kennwerte den Zusatz R (Required=erforderlich) oder einfach keinen Zusatz (bevorzugte Schreibweise). Es gilt also:

anlagenspezifischer Kavitationswert: NPSY_A\,\,\, , NPSH_A\,\,\,

pumpenspezifischer Kavitationswert: NPSY_R\,\,\, , NPSH_R\,\,\,

Die hydraulische Maschine arbeitet kavitationsfrei, wenn der anlagenspezifische Kavitationskennwert größer als der pumpenspezifische Kennwert ist.  Es gilt also:

(NPSY, Y_H, NPSH, H_H, p_H)_A > (NPSY, Y_H, NPSH, H_H, p_H)_R für kavitationsfreien Betrieb

In nachfolgender Grafik werden die kavitationsfreien und -behafteten Betriebsbereiche dargestellt:

Diese Verhältnisse nochmals auf unser zu betrachtentes System adaptiert bedeutet: Die Kühlmittelpumpe liefert einen erforderlichen Kavitationswert. Wird dieser erforderliche Kavitationswert  vom Anlagenkavitationswert, also dem Kühlkreislauf, überschritten, haben wir kavitationsfreien Betrieb. Wird der erforderliche Kavitationswert vom Anlagenkavitationswert unterschritten, haben wir Kavitation im Kreislauf. Dies bedeutet, das kavitationsfreier Betrieb vom Kühlkreislauf und NICHT (oder nur sehr eingeschränkt) von der Pumpe bestimmt wird.

 

2. Berechnung von NPSY und Y_H

Es gilt:

NPSY = Haltedruckenergie; Net positive suction energy: absolute Energie abzüglich der Verdampfungsenergie= Netto-Energie

{\bf Y_H} = spezifische Halteenergie

Die Einheiten betragen bei beiden Schreibweisen [J/kg, Nm/kg, m²/s²].

NPSY und \bf Y_H beschreiben den gleichen Sachverhalt. NPSY ist eine neuere, internationale auch folgend benutzte, und \bf Y_H die ältere Schreibweise:

    \[\boldsymbol {NPSY = Y_H}\]

Berechnung von {\bf NPSY_H} (anlagenspezifischer Kavitationswert):
Zunächst die Berechnungsvorschrift zur Ermittlung des Anlagen-NPSY-Wertes, aus dem sich prinzipiell die Berechnung des pumpenspezifischen NPSY-Wertes ableitet:

formelzeichen 5 4

    \[\boldsymbol {NPSY_A=\frac{p_1-p_{Dampf}}{\varrho}+\frac{c_1^2}{2}\pm g \cdot z_1\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,\,[F]}\]

    \[\boldsymbol {NPSY_A=\frac{p_{A1}-p_{Dampf}}{\varrho}+\frac{c_{A1}^2}{2}\pm g \cdot z_{A1}-Y_V}\]

    \[\boldsymbol {Y_V=\frac{p_V}{\varrho}}\]

Beim Vorzeichen des Termes g \cdot z_{1} bzw. g \cdot z_{A1} stehen – für Saugbetrieb und + für Zulaufbetrieb.

Zu beachten ist, dass sowohl bei Vermessung der Pumpenkennwerte am Pumpenprüfstand als auch bei Betrieb der Pumpe im Verbrennungsmotor ein Fluidkreislauf mit Ausgleichsbehälter als Druckbehälter vorliegt. Durch diesen Behälter liegt eine bestimmte Flüssigkeitssäule über der Pumpenachse, so dass wir prinzipiell einen Zulaufbetrieb mit Überdruck durch die Behälterhöhe und einen Wasserspiegeldruck durch Fluiderwärmung  vorliegen haben. Bei Prüfstandsuntersuchungen wird der Über-/Unterdruck mit einem Kompressor bzw. einer Vakuumpumpe eingestellt.

 

Berechnung von \bf NPSY_R (pumpenspezifischer Kavitationswert) aus dem am Pumpenprüfstand ermittelten kritischen Saugdruck \bf p_{s\,\,krit}:

Für eine neuentwickelte Pumpe wird der kritische Saugdruck \bf p_{s\,\,krit} am Pumpenprüfstand ermittelt und aus diesem kritischen Saugdruck der NPSY-Wert errechnet. Die genaue Vorgehensweise zur meßtechnischen Ermittlung des kritischen Saugdruckes wird in Kap. 5.9 behandelt.
Mit \bf p_{s\,\,krit} wird der statische Absolutdruck an der Saugseite der Kühlmittelpumpe bezeichnet, bei dem ein definierter, z.B. 3%iger, Abfall der Pumpenkennlinie auftritt.

Der NPSY-Wert der Kühlmittelpumpe (NPSY_R) wird ähnlich der mit (F) gekennzeichneten obenstehenden Formel ermittelt. Geht man von einer waagerechten Pumpenwelle aus, entfällt \pm g \cdot z_1. Aus p_1 (siehe auch die Skizze zu Saug- und Zulaufbetrieb) wird p_{s\,krit}:

    \[\boldsymbol {NPSY_R=\frac{p_{s\,krit}-p_{Dampf}}{\varrho}+\frac{c_s^2}{2}=\frac{p_{H\,krit}}{\varrho}}\]

Auf die Berechnung des kritischen Haltedruckes wird unten in 4. näher eingegangen.
Die Strömungsgeschwindigkeit am Saugstutzen wird oftmals bei der Kavitationsermittlung nicht beachtet, also weggelassen. Dies ist nicht korrekt, da die Kavitationswertermittlung dann nicht mehr mit der Druckgleichung nach Bernoulli erfolgt.

 

3. Berechnung von NPSH und H_H

Es gilt:

NPSH = Haltedruckhöhe; Net positive suction head: absolute Energiehöhe abzüglich der Verdampfungsdruckhöhe= Netto-Energiehöhe

{\bf H_H} = Haltedruckhöhe

Die Einheiten betragen bei beiden Schreibweisen [m].

NPSH und H_H beschreiben den gleichen Sachverhalt. NPSH ist eine neuere, auch folgend benutzte, und H_H die ältere, nicht mehr gebräuchliche Schreibweise:

    \[\boldsymbol {NPSH=H_H}\]

NPSH unterscheidet sich von NPSY genauso wie Förderhöhe H zu spezifischer Stutzenarbeit (spezifische Förderenergie) Y lediglich durch die Erdbeschleunigung g. NPSY ist wie Y sozusagen eine modernere, energetische Betrachtungsweise. Die Angabe von NPSH bzw. H ist aber ebenso nochgängig und erlaubt.

Es gilt:

    \[\boldsymbol {NPSH=H_H=\frac{Y_H}{g}=\frac{NPSY}{g}}\]

Für NPSH_R (pumpenspezifischer Kavitationswert) gilt damit:

    \[\boldsymbol {NPSH_R=\frac{p_{s\,krit}-p_{Dampf}}{\varrho \cdot g}+ \frac{c_s^2}{2g}=\frac{p_{H\,krit}}{\varrho \cdot g}}\]

 

4. Berechnung von p_H

Es gilt:

{\bf p_H} = Haltedruck; Dampfdruckabstand [kPa, mbar, Pa]

Der Haltedruck {\bf p_H} wird zum kritischen Haltedruck {\bf p_{H\, krit}}, wenn er auf einem Pumpenprüfstand für einen definierten Abfall der Pumpenkennlinie ermittelt wird. So wird bei 3%igem Förderkennlinienabfall (Förderdruck, Förderhöhe oder spezifische Stutzenarbeit) {\bf p_{H\, krit}} zu {\bf p_{H\, 3\%}} , manchmal auch mit {\bf p_{H\, 97\%}} ausgedrückt. Mit

    \[\boldsymbol {NPSY_R=\frac{p_{H\,krit}}{\varrho}\,\,\,bzw.\,\,\,NPSH_R=\frac{p_{H\,krit}}{\varrho \cdot g}}\]

wird

    \[\boldsymbol {p_{H\,krit}=p_{s\,krit}-p_{Dampf}+\varrho\frac{c_s^2}{2}}.\]

Der Haltedruck beschreibt im Prinzip die Differenz aus dem gemessenen Saugdruck bei Kavitation und dem bei der Messung vorliegenden Fluiddampfdruck und wird deshalb oft auch als Dampfdruckabstand bezeichnet, wobei nach obiger Formel die Addition des dynamischen Druckanteils nicht vergessen werden darf.

Zu beachten ist, dass oftmals bei Angabe des NPSH- oder des NPSY-Wertes ein Druck-Wert angegeben wird. Dies ist nicht korrekt, da ja ein Kavitationswert von z.B. 57 kPa den Haltedruck bzw. den Dampfdruckabstand bezeichnet und nicht den NPSH- bzw. den NPSY-Wert. Diese Werte können aber aus dem Haltedruck mit obigen Beziehungen leicht errechnet werden.

 

5. Weitere Kavitationsbegriffe

NPSY_{R\,i} , NPSH_{R\,i}  beginnende Kavitation

NPSY_{R\,\3%} , NPSH_{R\,3\%}   Kavitationswert bei 3%igem Förderhöhenabfall

NPSY_{R\,0\%} , NPSH_{R\,0\%}   Kavitationswert bei beginnendem Förderhöhenabfall

NPSY_{R\,voll} , NPSH_{R\,voll}   Vollkavitation

l_{Sch}    Blasenschleppenlänge

Bei Weglassen des Indizes R (Required=erforderlich) ist immer der pumpenspezifische Kavitationswert gemeint.

 

 nächstes Kapitel