5.8 Kavitationsmessungen und Kavitationskennlinien

Die zur Beschreibung der Kavitationscharakteristik einer Kreiselpumpe notwendigen Pumpenkennwerte werden mit speziellen Kavitationsversuchen ermittelt. Dabei wird durch Absenken des anlagenspezifischen Kavitationskennwertes (NPSY_A, NPSH_A)  in der Prüfpumpe Kavitation nach einem bestimmten Kavitationskriterium erzwungen und messtechnisch erfasst. Dieses Kavitationskriterium ist i.A. ein 3%ger Förderhöhenabfall, möglich ist aber auch ein höherer Förderhöhenabfall z.B. um die Kavitation eindeutiger kennzeichnen oder beobachten zu können.

Für den Kavitationsversuch sind mehrere Versuchsverfahren bekannt. Dies sind nach Bohl/Elmendorf: Strömungsmaschinen I und II, Vogel Buchverlag Würzburg:

– Drosselung der Saugleitung, also Erhöhung des Reibungsverlustes in der Saugleitung (angewendet bei offenen Systemen)
– Verändern des saugseitigen Flüssigkeitsspiegels (offenes System)
– Variation des Systemdruckes (geschlossenes System)
– Variation der Flüssigkeitstemperatur und damit des Fluiddampfdruckes (geschlossenes System).

Bei all diesen Kavitationsversuchen wird bei konstantem Förderstrom die Förderhöhe kontinuierlich gesenkt, i.A. bis Vollkavitation vorliegt. Das Kavitationskriterium 3%iger Förderhöhenabfall wird dann später in die Kennlinien eingezeichnet bzw. dieser Betriebspunkt gekennzeichnet.

Bemerkenswert ist, dass offenbar bei unterschiedlichen Messverfahren und sogar verschiedenen Messarmaturen auch unterschiedliche Kavitationskurven ermittelt werden. Dies kann nur daran liegen, dass das Messverfahren den Kavitationswert der Pumpe beeinflusst:

Bei unterschiedlicher saugseitiger Armaturenanordnung sind je nach Methode der Volumenstromdrosselung (z.B. Drosselklappe oder Blendenschieber) noch wesentlich größere Abweichungen der Kavitsationskennlinien zu erwarten.

Zur Kavitationswerteermittlung von Kraftfahrzeugpumpen wird i.A. der gleiche, in einer Vielzahl von Messungen bewährte Versuchsaufbau wie zur Pumpenkennlinienermittlung (s. Kapitel 4.23) verwendet. Nachfolgendes Bild zeigt schematisch diesen Prüfstandsaufbau, wobei die Drehmomenterfassung bei der Kavitationswerteermittlung entfallen kann (außer es sollen auch Pumpenantriebsleisungen bei Kavitation ermittelt werden):

Der Verdichter bzw. die Vakuumpumpe ist dabei so angebracht, dass im Luftpolster des Prüfstandbehälters bei Beginn der Kavitationsmessungen ein Überdruck eingestellt wird, bei dem die Pumpe sicher kavitationsfrei arbeitet. Der Behälterdruck wird dann sukzessive abgesenkt, bis eindeutig Kavitation auftritt. Die Vakuumpumpe wird verwendet, wenn bei Atmosphärendruck im Behälterluftpolster an der Prüfpumpe noch keine Kavitation ermittelt wurde. Die Vakuumpumpe verringert dabei den Druck gegenüber dem Atmosphärendruck, es wird also ein Unterdruck eingestellt. Damit kann die zu vermessende Pumpe sicher in Kavitation bis hin zur Vollkavitation betrieben werden.

Die Kavitationswerte können für den Pumpenauslegungspunkt oder auch für unterschiedliche Pumpenarbeitspunkte ermittelt werden. Dabei ist zu beachten, dass bei Kavitation der Pumpenvolumenstrom mit der Prüfstandhilfspumpe oder dem Drosselventil auf den Auslegungsvolumenstrom nachgeregelt wird, damit der Arbeitspunktvolumenstrom im Pumpenkennfeld gleich bleibt.
Bei größerer Kavitation ist die Nachregelung erfahrungsgemäß allerdings nicht mehr möglich, aber auch nicht notwendig, da dann z.B. das 3% Förderhöhenabfallkriterium schon weit überschritten ist.

Nachfolgend schematisch die entstehende Kennlinie bei Druckabsenkung an der Saugseite mit Saugdruck p_s und das Kavitationskriterium 3%iger Abfall der spezifischen Stutzenarbeit Y:

Eine am Pumpenprüfstand von mir aufgenommene Kennlinie und die dazugehörige NPSY-Kennlinie werden unten gezeigt. In der Pumpendifferenzdruck, Absolutdruck Saugseite – Kennlinie sind deutlich die Messwertpunkte zu erkennen. Die Kennlinie ist nur für das bei der Messung verwendete Strömungsmittel und der Messtemperatur gültig, in diesem Fall Wasser bei 50°C:

Wichtig ist auch die Angabe des Pumpenarbeitspunktes, um die Kennlinie später richtig zuordnen zu können.
Aus den Messwertpunkten wird eine temperatur- und zusammensetzungsunabhängige Y, NPSY-Kennlinie mit den bekannten Beziehungen errechnet:

Der Kavitationswert bei 3%igem Abfall der spezifischen Stutzenarbeit Y beträgt 50 Nm/kg (üblich sind auch die Einheiten J/kg und m²/s²). Der Kavitationswert sollte nicht grafisch, also aus der Kennlinie, sondern mathematisch aus den gemessenen bzw. errechneten Werten ermittelt bzw. interpoliert werden.

Untenstehende Bilder zeigen  weitere Kavitationskennlinien von PKW-Pumpen, rechts zusätzlich mit dem Kriterium 10%iger Pumpendifferenzdruckabfall:

Die bisher gezeigten Kavitationskennlinien gelten nur für einen Pumpenarbeitspunkt. Wegen regelungsbedingten Volumenstromänderungen, z.B. bei offenen oder geschlossenen Kühlkreislaufbauteilen wie Heizung, Zylinderkurbelgehäuse, Motorölkühler, Getriebeölkühler, Thermostat, ergeben sich beim Betrieb der Kühlmittelpumpe im Kühlkreislauf unterschiedliche Gesamtströmungswiderstände und damit abweichende Arbeitspunkte im Pumpenkennfeld.
Schematisch ist solch eine Arbeitspunktverschiebung für offene und geschlossene Heizung in untenstehender Grafik dargestellt:

Außerdem ändern sich die Pumpenarbeitspunkte bei Drehzahländerung und bei Verwendung einer Pumpe in einem anderen Kühlkreislauf. Auch steht beim Zeitpunkt der Pumpenentwicklung oft der letztendlich aus der Bauteilvernetzung resultierende Pumpenarbeitspunkt, also der Kühlkreislaufwiderstand, noch gar nicht fest. Wegen den unterschiedlichen oder im Fahrzeugentwicklungsprozess noch nicht feststehenden Pumpenarbeitspunkten werden Kavitationsuntersuchungen oft nicht nur für den Pumpenauslegungspunkt, sondern für unterschiedliche Pumpendrehzahlen und Volumenströme durchgeführt, man erhält also ein Kavitationskennfeld der Kühlmittelpumpe.
In Bohl/Elmendorf: Strömungsmaschinen I und II, Vogel Buchverlag Würzburg wird dies für die Förderhöhe H und den pumpenspezifischen Kavitationswert NPSH_{R 3\%} für eine konstante Drehzahl und unterschiedliche Volumenströme folgendermaßen dargestellt. In a) sind die unterschiedlichen NPSH-Werte für variierte Volumenströme eingezeichnet. In b) werden diese NPSH-Werte über die einzelnen Förderströme aufgetragen und als Kennlinie verbunden:

Diese oben dargestellte Vorgehensweise gilt wie schon gesagt aber nur für eine konstante Drehzahl. Im Kraftfahrzeugmotor haben wir jedoch wechselnde Drehzahlen, außerdem können Motor- bzw. Kühlkreislaufderivate bei Verwendung der gleichen Pumpe unterschiedliche Drehzahlen aufweisen, z.B. wenn eine Pumpe im ‚Motorbaukasten‘ für V6- und V8- Motoren verwendet oder eine Hochleistungsvariante eines Motors entwickelt wird. Es ist also erforderlich, die Kavitationskennwerte sowohl für unterschiedliche Förderströme als auch für verschiedene Drehzahlen aufzutragen. Man erhält nun das Kavitationskennfeld, wobei die Drehzahlklassen sinnvoll wählbar sind, die in der Beispielgrafik unten gezeigten Drehzahlen sind also nicht vorgeschrieben:

Die Drehzahlabhängigkeit ist in Grenzen über die Saugkennzahl (s. Kapitel 5.5) und den Umrechnungsvorschriften auf andere Betriebspunkte (s. Kapitel 5.6) überschlägig berechenbar.
Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass sowohl Kavitationskennlinie als auch -kennfeld auch für andere Kavitationskriterien, z.B. für 10%igen Förderhöhenabfall, ermittelt werden können. Wie die real gemessenen Kavitationskennwerte zeigen, liegt das 3%-Kriterium sehr nah an der Pumpenkennlinie ohne Förderhöhenabfall. Bei nicht ganz exakt waagerechten Kavitationskurven ohne kavitationsbedingten Förderhöhenabfall sind damit fehlerhaft ausgewiesene Kavitationswerte sehr leicht möglich.

 

nächstes Kapitel